„Wunder“ – Fromme Märchen oder erwiesene Tatsachen?
Zu diesem Thema hielt Dr. Peter C. Düren, Theologischer Referent im Bischöflichen Ordinariat Augsburg, am 8. Mai 2019 einen Vortrag in Maria Vesperbild. Der Referent erläuterte, dass im Neuen Testament von zahlreichen Wundern berichtet werde. Diese Wunder seien jedoch keine „Zauberkunststücke“, sondern hätten einen Zeichencharakter, mit denen Jesus sein wirkmächtiges Wort der Verkündigung unterstreiche und seine Gottheit offenbare. Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert seien Wunder jedoch immer mehr in die Kritik geraten, auch bei Theologen. Das sei bis heute so. Viele evangelische wie katholische Theologen würden Wunder teils als psychosomatische Heilungen, teils als pure Mythen und erdichtete Sagen deuten. Letztlich offenbarte aber diese Wunderkritik, so der Referent, welches Gottesbild der Wunderkritiker habe, dass nämlich Gott keine Wunder zugetraut würden, dass man meine, alles mit der Vernunft erklären zu können („Rationalismus“) und dass Gott als fern von der Welt betrachtet werde, der keinen unmittelbaren Einfluss auf seine Schöpfung ausübe („Deismus“). Die neutestamentlichen Berichte selbst würden jedoch die Authentizität der Wunder bezeugen und sowohl die Kirchenväter und –lehrer als auch die Päpste und Konzilien betonten bis heute die Tatsächlichkeit von Wundern als göttlichen Eingriff in den natürlichen Lauf der Dinge.
So stehe der Wunderkritik auf der einen Seite die Behauptung der Kirche auf der anderen Seite entgegen, dass es Wunder gebe. Der Referent fragte, ob sich also doch nichts Genaues über die Frage der Wunder sagen lasse? Hierbei sei jedoch zu bedenken, dass unerklärliche Heilungen, wie sie im Neuen Testament berichtet würden, auch heute noch geschähen, so zum Beispiel in Lourdes. Seit den Erscheinungen Mariens in diesem südfranzösischen Wallfahrtsort vor über 160 Jahren soll es dort rund 30.000 Heilungen gegeben haben; 6.000 seien dokumentiert, 2.000 würden von einem internationalen Ärzteteam als ‚medizinisch unerklärlich‘ eingestuft; die Zahl der kirchlich anerkannten Wunderheilungen in Lourdes liege nunmehr bei 70. An der Tatsache solcher natürlicherweise nicht zu erklärender Heilungen komme man also nicht vorbei. Ob man diese Phänomene jedoch als „Wunder“ betrachte, bleibe letztlich eine Glaubensfrage, so der Referent. Es sei aber bemerkenswert, dass die Kirche sich im Rahmen von Selig- und Heiligsprechungsverfahren bis heute auf die Tatsächlichkeit von Wundern berufe. Sie betrachte Wunder als eine göttliche Bestätigung dafür, dass eine konkrete Dienerin Gottes oder Diener Gottes tatsächlich im Himmel sei und Gott auf ihre bzw. seine Fürsprache Wunder bewirke. So hätten Papst Benedikt XVI. bzw. Papst Franziskus die unerklärliche und spontane Heilung einer Ordensfrau von Parkinson-Krankheit im Jahr 2005 bzw. die Heilung von Gefäßerweiterung im Gehirn (Aneurysma) bei einer Costa-Ricanerin im Jahr 2011 nach Anrufung des 2005 verstorbenen Papstes Johannes Paul II. als ein sicheres Zeichen dafür erklärt, dass auf dessen Fürsprache diese Heilungen geschehen seien und Johannes Paul II. in der Gemeinschaft mit Gott im Himmel lebe, also selig bzw. heilig sei. – An den gut besuchten Vortrag in Maria Vesperbild schloss sich eine anregende Diskussion an.
Bild: Wundersamer Fischzug, Codex Egberti, 10. Jhd.