Die schwäbische Hauptstadt Mariens

Allerheiligen und Allerseelen

Die Heiligen des Himmels feiern und für die Armen Seelen beten

An Allerheiligen und Allerseelen gedenken viele Menschen traditionell ihrer Verstorbenen in Gottesdiensten und Friedhofsgängen. Doch hinter diesen beiden Festen steckt noch viel mehr an Theologie, Geschichte und Brauchtum als „nur“ die Erinnerung an die, die uns bereits vorausgegangen sind.

Mit seinen katholischen, evangelischen und staatlichen Totengedenktagen kommt man im November kaum daran vorbei, an den Tod zu denken. Während sich evangelische Christen am Totensonntag und der Staat am Volkstrauertag mit jeweils einem einzigen Tag des Totengedenkens begnügen, halten katholische Christen einen doppelten Totengedenktag: Allerheiligen und Allerseelen. Wer genauer hinschaut, wird aber feststellen, dass das keine überflüssige Dopplung darstellt, sondern diese beiden Tage einen ganz unterschiedlichen liturgischen Charakter und religiösen Sinn haben.

Allerheiligen am 1. November ist ein „Hochfest“. An ihm feiern wir Katholiken das – wie man vielleicht besser schreiben sollte – „Hochfest aller Heiligen“. Das heißt erstens: Es handelt sich nicht um einen Trauertag, sondern ganz im Gegenteil um ein Fest, ein besonders hohes Fest, eben um ein „Hochfest“. In der Liturgie wird dies am weißen Gewand des Priesters, an den sonst nur an Sonntagen und anderen Festen üblichen Gesängen des „Gloria“ (Ehre sei Gott) und des „Credo“ (Glaubensbekenntnis), am Blumenschmuck und am festlichen Orgelspiel deutlich. Allerheiligen ist also mitnichten ein Tag der Trauer über unsere Verstorbenen, sondern vielmehr ein Festtag. Und zweitens geht es um „alle“ Heiligen“, d.h. man feiert an diesem Tag die unzählbar große Zahl der Heiligen des Himmels. Denn im Laufe des Jahres gibt es nur ganz wenige Heilige, die mit einem eigenen Hochfest, Fest oder Gedenktag gewürdigt werden: Maria, die Apostel, traditionelle Heilige wie Augustinus und Monika, neuere Heilige wie Mutter Teresa oder Johannes Paul II., Märtyrer wie Maximilian Kolbe oder Edith Stein. Doch 365 Tage reichen bei weitem nicht aus, um jedem, der sein ewiges Ziel erlangt und in der beseligenden Anschauung Gottes geborgen ist, einen eigenen Feiertag zu widmen. So kommt es also, dass seit dem 8. Jahrhundert in der katholischen Kirche ein eigenes Hochfest für alle Heiligen gefeiert wird. Denn „heilig“ ist nicht nur der, der vom Papst heiliggesprochen worden ist. Die meisten Heiligen sind uns unbekannt. Das kann eine Frau Mayr aus der Nachbarschaft sein, die ihr Leben lang fromm gelebt und ihre kranken Eltern gepflegt hat. Oder ein Herr Huber, der ehrlich und pflichtgetreu seine Arbeit getan und dabei die Liebe zu Gott und dem Nächsten verwirklicht hat. Oder auch die vielen Menschen, die zwar krumme Wege gegangen, sich dann aber bekehrt haben und den Geboten Gottes gefolgt sind. Denn Heiligkeit ist nicht nur etwas für die wenigen Menschen, die von Päpsten heiliggesprochen wurden, sondern vielmehr die Berufung aller Menschen, wie uns das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, und wie auch Papst Franziskus erinnert hat: „Mit so reichen Mitteln zum Heile ausgerüstet, sind alle Christgläubigen in allen Verhältnissen und in jedem Stand je auf ihrem Wege vom Herrn berufen zu der Vollkommenheit in Heiligkeit, in der der Vater selbst vollkommen ist“ (Lumen gentium 11; Gaudete et exsultate 10) . Die Bibel ruft uns auf: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig!“ (Lev 19,2, 1 Petr 1,16). Das heißt: Gott „will, dass alle Menschen gerettet werden“ (1 Tim 2,4) – auch Du und ich!

Einen ganz anderen Charakter hat Allerseelen am 2. November. Hier feiern wir nicht die bereits vollendeten Heiligen, die in der Anschauung Gottes geborgen sind, sondern wir beten vielmehr für all jene Toten, die zwar in der Gnade Gottes gestorben sind, die aber noch Überbleibsel der Sünde an ihrer Seele haften haben und sich in einem Zustand der Reinigung („purgatorium“) bzw. einem Ort der Läuterung („Fegfeuer“) befinden. Das Zweite Vatikanische Konzil (Lumen gentium 50-51) bezieht sich bei der Lehre über diese Seelen, die „nach ihrem Tode noch gereinigt werden“ müssen, auf das bereits im Alten Testament praktizierte Gebet zur Entsühnung der Toten (vgl. 2 Makk 12,42-45). Die Kirche beruft sich bei ihrer Lehre vom Fegfeuer auch auf verschiedene neutestamentliche Bibelstellen (vgl. Mt 12,32; 1 Kor 3,10-15, Mt 5,26). Weil also an Allerseelen nicht Heilige gefeiert werden, sondern für Verstorbene gebetet wird, die noch der Läuterung bedürfen, und damit diese Reinigung rascher geschieht, feiert man an jenem Tag nicht Heilige, sondern bringt das Messopfer für die Verstorbenen dar. Der Priester trägt dabei zum Zeichen der Sühne und Buße ein violettes oder schwarzes Messgewand. An diesem Tag ist es ihm erlaubt, drei heilige Messen für Verstorbene zu zelebrieren. Und die Gläubigen werden ihrerseits eingeladen, für die Verstorbenen zu beten und insbesondere Ablässe für Verstorbene zu gewinnen. Unter einem Ablass versteht man den Nachlass von Sündenstrafen für bereits vergebene Sünden. Denn wenn man vor dem Tod nicht von diesen Sündenstrafen befreit ist, nimmt man sie als eine Last mit über die Todesschwelle hinüber und muss, wie der heilige Papst Paul VI. nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils lehrte, „noch durch das Feuer des Reinigungsortes entsündigt werden“. Und um dieses Reinigungsfeuer für die Verstorbenen abzukürzen oder zu mildern, lädt die Kirche die Gläubigen ein, Ablässe zu gewinnen und sie fürbittweise den Verstorbenen zukommen zu lassen.

An Allerheiligen sowie Allerseelen und an den folgenden Tagen bis zum 8. November gewährt die Kirche einen besonderen vollkommenen Ablass, den man ausschließlich fürbittweise den Verstorbenen zukommen lassen kann. Man gewinnt diesen Ablass, indem man folgende Bedingungen erfüllt:

1. einen Friedhof in frommer Gesinnung besucht und wenigstens im Geiste (also leise) für die Verstorbenen betet, z.B: „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe“; 
hinzu kommen die üblichen Bedingungen für einen vollkommenen Ablass: 
2. Empfang des Bußsakramentes (Beichte) in einem Zeitraum von drei Wochen vorher bis drei Wochen nachher; 
3. Abkehr von jeder Sünde, also der feste Vorsatz, nicht mehr zu sündigen; 
4. Empfang der heiligen Kommunion (möglichst am selben Tag); 
5. Gebet in den Anliegen des Papstes (z.B. Vaterunser und Gegrüßet seist du, Maria).

Und wenn man keinen solchen „vollkommenen“ Ablass gewinnt, weil nicht alle Bedingungen erfüllt werden, so gewinnt man für die Verstorbenen einen „Teilablass“, der zu einer Reduzierung der Sündenstrafen führt. Es ist also möglich, an jedem dieser acht genannten Tage jeweils einen (vollkommenen) Ablass den Verstorbenen zukommen zu lassen. Und wenn man glaubt, wie es die Kirche lehrt, dass dieser Ablass eine wirkmächtige Fürsprache bedeutet, ein Geschenk, mit der wir unsere Solidarität mit den verstorbenen „Armen Seelen“ zum Ausdruck bringen können, dann ist dieses Ablassgebet noch weitaus wichtiger als ein hübsch gepflegtes Grab mit frischem Blumenschmuck und rotem Grablicht. Auch das ist natürlich ein Zeichen unserer Liebe zu den Verstorbenen und kann so ebenfalls eine Form des Gebetes sein. Aber wichtiger noch als äußerer Grabschmuck ist es, wirklich für die Verstorbenen zu beten und die heilige Messe für Verstorbene zu feiern. Dies war schon der heiligen Monika bewusst, die auf dem Sterbebett ihren Sohn Augustinus († 430) inbrünstig bat: „Begrabt meinen Leib, wo es auch sei, und macht euch keine Gedanken darum. Nur um eins bitte ich euch, gedenkt meiner, wo immer ihr euch aufhalten möget, am Altar des Herrn.“ Und das gilt für alle Katholiken bis heute – ganz besonders an Allerseelen.

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